A recht braver Kerl soll des g’wesen sein, der Pole. Fleißig wia an Bienenzüchter und still wia a Fisch, wia’s halt so is bei de Leut, die net reden, weils besser is, net z’vui z’sagn.
Nach Bayern hat’s ihn net zur Gaudi verschlagn, sondern weil d’Not daheim größer war als d’Scham. A Frau hat er g’habt, dahoam im Osten, und drei Kinder, so dürr und bleich, wia a Vogelscheuch’n. Die Frau hat g’sagt: „Geh zua, fahr ausi, do drunt’n in Bayern, do zahl’n s’ wos — und wenn’s bar is, umso besser. Mir hock’n hier daweil zam, und du schickst wos hoam, wennst was auf d’Händ kriegst.“
So is er gangen, mit sein alten Rucksack, zwoa Hemden, und mehr Hoffnung als Verstand. In Bayern is er dann bei dem Bartl g’landet, wia a andere, die wo net viel frag’n und no weniger sag’n. Ang’meldt war er freili net, des wär jo no g’fehlt, weil beim Bartl geht’s zua wia in da Monarchie: da Chef zahlt bar, de andern buckeln, und der Staat schaut ned so ganz genau hin.
Er hat sei Kammerl unterm Dach kriegt, a strohsackiges Nest, wo grad der Wind durch die Ritzen pfeift, wenn’s drauß’n a bisserl stürmt. Aber g’klagt hat er nie, net amal, wenn die Händ vom Schaffen wehgetan ham oder wenn’s Geld net pünktlich kemma is.
So is des dann g’laufen. Tag für Tag, bis auf einmal der Dog kemma is, wo’s nimmer weitergangen is.
An besagten Tag war der Pole net recht beinand. Vormittags is er no hintn im Gartl von da Chefin gestand’n, hat g’mäht und g’schnauft wia a kaputter Hanomag, aber pflichtbewusst wia er war, hat er durchg’halten.
Mittag is ihm dann so schindlig word’n, dass er g’sagt hat: „I geh aufe und leg mi hi.“
Der Weg zu seinem Kammerl dortnauf war a Treppe ohne Geländer, so steil wia da Kirchaufgang in Hinterwies.
Aber ganz aufe is a nimmer kemma. Auf halber Höh’ hat’s ihn zammg’haun, er is g’fallen wia a nasser Zementsack, bumms, am Boden war er, mausetot.
Arbeiter ham ihn g’fund’n, wia a tote Maus isa da gelegen, mitten auf’m Hof. D’Leit war’n ganz aufg’regt, der Chef is kemma, hat g’schaut, als hätt er an fremden Hund am Zaun g’sehn. Dann hat er den Doktor holen lassen. Der Doktor hat g’schaut, g’fühlt, und g’wusst: Der is hin, da hilft koa Doktor mehr.
Bald drauf is aa d’Dorfner Polizei eingetrudelt. Zwei Gendarmen, von oben bis unten korrekt, d’Uniform frisch, d’Hos’n g’spannt, der Blick grad so, als wenn’s jetzt a große Sach’ aufzuklär’n gibt.
Der Bartl steht da, faltet d’Händ, ruhig und gefasst, und sagt: „Den kenn i net.“
„Kennst net?“, fragt der Wachtmeister, während er seinen Bleistift spitzt.
„Na, i woaß net, wia der da her kemma is. Wahrscheinlich a Landstreicher oder ein Einbrecher, der bei der Trepp’n nauf wollt. Was der do wollt, koa Ahnung.“
D’Polizei hat brav g’nickt, den Toten von links und rechts b’sichtigt, ohne viel Aufhebens, und mit einer gewissen staatstragenden Wichtigkeit ins Heft geschrieben: „Unbekannter Mann, Unfall, vermutlich Eigenverschulden.“
Dass es in dem Kammerl über der Trepp’n nach Arbeit, ned nach Einbruch g’rocha hat, is den Herrn Gendarmen net der Rede wert g’wesen. Auch net, dass der Mann noch die Arbeitshos’n anhat, samt einem Ausweis in der Tasche, den der Zufall später ganz von selbst an den Tag bracht hat.
Und d’Arbeiter? Die warn wie vom Erdboden verschluckt. Und hätt einer dag’stand’n, der hätt so dreing’schaut, als wüsst er sein eigenen Namen net. Reden hat eh keiner wollen. Weil in so G’schichten redet selten einer freiwillig, der auf sein Brot angewiesen is.
So is der Pole dann still und leise vom Hof weg bracht worn, unterm Arm vom Leichenbitter. Am nächsten Dog hat der Bartl scho wieda an neuen hea g’habt. Woher der kemma is? Ja mei, wer fragt denn sowas. Hauptsach’, die Händ san kräftig, der Mund is zua, und der Lohn bar auf d’Pratz.
Im Wirtshaus beim Brunner hock’n am Abend ein paar Dorfleut z'am, der Xaver, der Wastl und der alte Sepp. Das Bier schäumt, der Ofen glüht, und das Gespräch kommt freilich auf den Toten vom Bartl-Hof.
„Jo mei“, sagt der Xaver, „des war halt wieder so a gscheite Polizeiarbeit. D’Leich’ liegt unter der Treppe, der Ausweis in der Hos’n, und der Chef weiß von nix - und d’Polizei hat’s g’laubt, als wär’s vom Pfarrer g’predigt.“
Da lacht der Sepp, kippt den letzten Schluck runter und meint:
„Wennst bei uns am Kirchturm an Geißbock find’st, sagt d’ Polizei aa: der wird wohl selber naufg’stiegen sein.“
Und der Wastl setzt nach, während er sich die Pfeif’n stopft:
„Ja freilich! Und wenn der Bartl g’sagt hätt’, des war a entlaufene Wanderdrossel, hätt’n s’ des aa ins Protokoll g’schrieben.“
Da hebt der Xaver nochmal sein Glas, schaut über’n Rand, und brummt durch seinen Bart:
"So ist's halt auf dera Woid: Einer richtet se z'Grund, der andre liagt se g'sund - und bei der Gerechtigkeit, do musst erst amal oan finden der sie sucht.“
"Prost!"